Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Interview mit den Autorinnen Karin Alvtegen
und Maj Sjöwall

"Mich ekelt Gewalt!"

Mit Karin Alvtegen und Maj Sjöwall hat das Literaturportal schwedenkrimi.de zwei Autorinnen zum Interview getroffen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Doch überbordende Gewalt in ihren Krimis ist beiden ein Greuel. Und nicht nur das: Auch gegen die gegenwärtige Krimiinflation und ihre negativen Folgen ziehen sie gemeinsam zu Felde.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre ansieht, fällt auf, dass es immer mehr bereits in der Belletristik etablierte Autoren ins Krimigenre zieht: z.B. Theodor Kallifatides, Inger Frimansson, Jan Arnald/Arne Dahl, Aino Trosell. Ganz zu schweigen von der Dänin Greteliese Holm, die der Verlag regelrecht dazu aufgefordert haben soll, einen "Frauenkrimi" zu schreiben. Was steckt hinter diesem Trend: Sind es nur Profitmotive oder ist die Belletristik tot?

Karin Alvtegen:
Nein, das glaube ich nicht, das glaube ich wirklich nicht, aber die Kriminalliteratur hatte lange Zeit einen sehr schlechten Ruf. Es gehörte nicht zum guten Ton, Krimis zu schreiben. Aber jetzt hat sich das Genre als eigenständiges Genre Respekt erworben, als ein Genre, das eigene Klasse besitzt. Das hat dazu geführt, dass sich viele etablierte Schriftsteller diesem Genre zugewandt haben und vielleicht auch erkannt haben, dass es gar nicht so leicht ist, einen guten Krimi und einen guten Roman zu schreiben. Denn ein guter Krimi ist ein guter, schönliterarischer Roman plus, dass die Mordintrige hinzukommt und ihn zu einem guten, spannenden Krimi macht.

Maj Sjöwall:
Also, ich muss ein Wort an erster Stelle nennen: Geld! Und dann hat es damit zu tun, dass gewisse Bücher nicht mehr der Kultur und Kunst zugeordnet werden, sondern den Massenmedien. Und dazu gehört die Kriminalliteratur. Das muss sie nicht rein qualitativ tun, aber vom rein kommerziellen Standpunkt aus gesehen, gehört sie nun den Massenmedien oder der 'Volksliteratur'an. Dabei sind die belletristischen Autoren momentan sehr ins Hintertreffen geraten. Wenn man in eine Buchhandlung geht, ist es schon sehr schwierig, überhaupt belletristische Schriftsteller zu finden. Man muss erst stapelweise über Bücher von Marklund und Mankell klettern, um irgendwo hinten Lyrik und Belletristik zu finden. Literatur heute ist eine ganz andere Sache. Es wird weniger zwischen Belletristik und Trivialliteratur unterschieden, als vielmehr zwischen verkaufbaren und nicht-verkaufbaren Büchern. Da ist es klar, dass sich einige Autoren der Belletristik auch dem Krimigenre zuwenden.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Glauben Sie, dass die Krimiliteratur uns Antworten geben kann, die uns die Belletristik nicht geben kann?

Karin Alvtegen:
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass das eine Genre besser ist als das andere. Sie sind beide einfach verschieden. Ein gutes Buch ist ein gutes Buch, unabhängig vom Genre. Aber ich habe ohnehin meine Schwierigkeiten mit diesen Kategorisierungen. Auch in der Kriminalliteratur gibt es so viele verschiedene Typen und Subgenres. Man muss nur die Bücher von mir und Maj nehmen. Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass wir beide demselben Genre angehören. Sie schreibt fantastische Polizeiromane und in meinen Büchern kommen überhaupt keine Polizisten vor.

Maj Sjöwall:
Ich halte auch nichts davon, Bücher in Kategorien aufzuteilen. Vielmehr geht es um den Menschen hinter dem Buch, um seinen Standpunkt und seine Sicht auf die Welt.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Was denken Sie: Können von der Krimiliteratur Impulse für einen Aufschwung auch in der Belletristik ausgehen?

Karin Alvtegen:
Ja. Im Augenblick ist es ja so, dass sich Bücher im allgemeinen gut verkaufen. Vor ein paar Jahren noch sah das ganz anders aus. Man dachte, das Buch sei 'tot'. Das ist es nicht. Im Gegenteil. Und im Moment verkaufen sich auch Kriminalromane sehr gut. Dabei spielt es vielleicht eine Rolle, dass die Leute eine breite Auswahl an Genres und Typen von Büchern lesen wollen, und das kann vielleicht auf die Belletristik überschwappen. Vielleicht kann man durch das Interesse an Kriminalliteratur sozusagen durch die Hintertür zur Belletristik kommen. Ich denke, alle in der Buchbranche spüren, dass da draußen ein großes Publikum an interessierten Lesern ist.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Was halten Sie persönlich vom Krimiboom der letzten Jahre?

Karin Alvtegen:
Das Merkwürdige ist, dass ich selbst gar nicht so viele Krimis lese, und damit bin ich, wie ich weiß, in guter Gesellschaft. Aber ich habe auch bemerkt, dass es eine regelrechte Krimiinflation gibt, und nicht alle veröffentlichten Romane halten einer gewissen Qualität stand. Dabei hat der skandinavische Krimi ja einen guten Ruf. Man sagt ihm eine hohe Qualität nach, und um dieses Niveau zu halten, muss man die wirklich guten Krimis vielleicht schützen. Es dürfen dann nicht mehr so viele Titel herausgegeben werden, nur um Geld zu verdienen. Die Leute verlieren sonst bei so viel Mord und Totschlag auch das Interesse an der Kriminalliteratur, und ich denke, dass es jetzt wirklich darauf ankommt, die Qualität zu halten.

Maj Sjöwall:
Ich finde ganz einfach, dass aus rein kommerziellen Gründen zu viele schlechte Bücher rausgegeben werden.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Werden denn eher die 'Mainstream-Schriftsteller' überleben oder die 'Qualitäts-Schriftsteller' - Wobei die Frage ist, wer ist was?

Karin Alvtegen:
Ich denke, dass die Autoren, die sich jetzt bereits etabliert haben und einen großen Leserkreis ansprechen, auch weiterhin dazu gehören werden. Sie haben eine eigene Sprache entwickelt und halten ein bestimmtes Maß an Qualität. Ich habe darüber auch schon mal mit Liza Marklund diskutiert. Interessant ist, dass von den fünf Frauen, die Ende der 90er mit Krimis auf dem Markt vertreten waren, nur Liza und ich übrig geblieben sind. Dafür sind viele Neue hinzugekommen, die ich alle gar nicht kenne, so wie es vor fünf, sechs Jahren noch war, als ich mit dem Schreiben anfing.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wie muss dann Ihrer Ansicht nach die schwedische Krimiliteratur der nächsten Jahre aussehen? Wie muss sie sich entwickeln, um sich weiterzuentwickeln?

Maj Sjöwall:
Momentan besteht die Gefahr der Abnutzung, weil so viele dasselbe Muster benutzen. Was ich mich frage, ist, ob die Autoren Krimis ungefähr so schreiben, wie man einen Kuchen backt: Man nimmt so und so viel Zucker, so viele Eier... Ich finde aber, der Kriminalroman muss einen bestimmten qualitativen Standard einhalten. Der massenmediale Mensch muss endlich anfangen, sein Hirn für etwas anderes zu gebrauchen. Diesen Gegensatz zwischen der Literaturform, wie wir, mein Mann und ich, sie anwendeten und der Gegenwart ist eklatant. Wir wollten die Form nutzen, um eine Gesellschaft zu beleuchten. Heute werden Krimis wie am Fließband produziert. Das muss sich ändern.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Was sind das, Ihrer Meinung nach, für Standards, die eingehalten werden müssen, um aus einem Krimi einen guten Roman zu machen?

Maj Sjöwall:
Als Erstes muss der Autor ein guter Erzähler sein und in einer guten Sprache erzählen können. Und das ist heutzutage wirklich immer weniger der Fall. Die Ansprüche sind diesbezüglich nicht mehr so hoch. Nur weil man einen Roman als Krimi etikettieren kann, muss er noch lange nicht gut sein. Das erlebe ich auch in meiner Arbeit als Übersetzerin. Da sage ich zum Verlag, dieses Manuskript ist Scheiße und dann wird es doch veröffentlicht, weil es als verkaufbar eingestuft wird.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ich möchte noch einmal auf das zurückkommen, was Karin gesagt hat. Es ging darum, eine eigene Stimme zu entwickeln. Ich muss da an Liselott Willén und ihren Roman "Stein um Stein" denken, der den Geschichten von Ihnen, Karin, insofern gleicht, als es auch keine Polizisten gibt oder das Buch dort endet, wo eigentlich ein Polizist erst in Aktion treten sollte. Ist das 'die neue Qualität'?


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)


Karin Alvtegen:
Also, ich versuche in jedem Fall, stets etwas Eigenes und Neues zu finden, um meinen eigenen Qualitätsansprüchen zu genügen. Das ist auch wichtig, damit ich selbst die Lust am Schreiben nicht verliere. Ich will ja auch niemanden nachahmen. Ich versuche stets, meinen eigenen Weg zu finden. Ich glaube auch, dass die Leute es sonst bald satt hätten, meine Bücher zu lesen, wenn sie das Gefühl hätten, das schon mal woanders gelesen zu haben.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wie sehen Sie sich selbst als schwedische Krimischriftstellerinnen im Vergleich zu Ihren Kollegen aus Großbritannien und den USA?

Karin Alvtegen:
Uj, was für eine schwere Frage! (Lacht) Also, wie ich schon sagte, seltsamerweise liest man als Krimischriftsteller selbst ja gar nicht so viele Krimis. Ich laufe eigentlich nicht herum und vergleiche mich mit anderen. Meine erste Identität ist auch nicht Schriftstellerin, sondern Mutter und Lebenspartnerin. Nein, das ist eine schwierige Frage! (Lacht)

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Dann fühlen Sie sich auch nicht unbedingt einer bestimmten Tradition verpflichtet oder wollen gar bewusst mit ihr brechen?

Karin Alvtegen:
Nein, nein, überhaupt nicht. Es ist für mich nicht wichtig, einem Autorenkollektiv anzugehören. Ich schreibe, weil es Spaß macht und dann sollen die anderen damit machen, was sie wollen.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wie sieht dann Ihr Konzept des schwedischen Krimis aus? Welche Ideen, welche Ziele verfolgen Sie?

Karin Alvtegen:
Ja, ein Ziel verfolge ich schon, obwohl ich wirklich sagen muss, dass ich in erster Linie für mich selbst schreibe, dass ich ungeheuer dankbar bin, dass ich dort sitzen und eine eigen Welt schaffen darf. Aber ich muss auch sagen, dass ich mehr und mehr Verantwortung spüre, denn meine Leser werden immer mehr und sie stellen bestimmte Ansprüche an mich. Wenn man in einem Genre schreibt, das meistens mit Mord, Tod und Elend zu tun hat, dann, finde ich, habe ich auch die Verantwortung, meinen Lesern dem noch etwas anderes entgegenzusetzen: Empathie, Respekt für den Menschen und dass man sich den Konsequenzen seiner Handlungen bewusst sein muss. Das ist ja mein zentrales Thema in "Der Seitensprung". Ich verwende auch so wenig Blut und Gewalt wie möglich. Gewalt ekelt mich. Es ist mein Ziel, die größtmögliche Spannung ohne Gewalt und Blut zu schaffen. Es muss am Ende noch einen Gedanken dahinter geben, ob der nun philosophisch oder was auch immer ist. Ich will den Menschen etwas zu denken geben.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Und wie ist das für Sie, Maj, immer als das große Vorbild zitiert zu werden?

Maj Sjöwall:
In Schweden ist das schon lange nicht mehr so. Ich bin in Vergessenheit geraten. Jetzt ist Mankell das große Identifikationsobjekt aller Autoren, die sich in einem Kollektiv in der schwedischen Krimiakademie und ähnlichen Vereinigungen zusammengefunden haben. Die haben jeden einzelnen Text von Sjöwall/Wahlöö satt. Die wollen überhaupt nicht mit uns verglichen werden. Das würde sie nur als altmodisch abstempeln.

Literaturportal schwedenkrimi.de:
Maj, Karin, vielen Dank für das Gespräch!



Die Autorinnen im Gespräch mit unserer Redakteurin Alexandra Hagenguth
Foto © Sebastian Bielke/ schwedenkrimi.de

Die Autorin Karin Alvtegen Die Autorin Karin Alvtegen
Die Autorin Karin Alvtegen Die Autorin Karin Alvtegen

Die Autorin Karin Alvtegen
Foto © Sebastian Bielke/ schwedenkrimi.de

Die Autorin Maj Sjöwall Die Autorin Maj Sjöwall
Die Autorin Maj Sjöwall Die Autorin Maj Sjöwall

Die Autorin Maj Sjöwall
Foto © Sebastian Bielke/ schwedenkrimi.de

Der Übersetzer Eckehard Schultz Der Übersetzer Eckehard Schultz
Der Übersetzer Eckehard Schultz Der Übersetzer Eckehard Schultz

Der Übersetzer Eckehard Schultz
Foto © Sebastian Bielke/ schwedenkrimi.de




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Autorin:
Alexandra Hagenguth/
© Mai 2004 - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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